GayChurch Berlin (Entstehung)

Foto oben: Das aktuelle Team der GayChurch Berlin

Von links nach rechts: Ryszard Kaczmarek, Frank Nerlich, Wolfgang Beyer, Xenia Brühl, Anette Detering. Dieses Foto ist nach einem Gottesdienst in der Auferstehungskirche Berlin-Friedrichshain entstanden

© Wolfgang Beyer, 21.09.2022

Wie ist die „GayChurch Berlin“ entstanden?

Über GayChurch Berlin

Geschichte und theologisches Selbstverständnis der GayChurch

Theologische Grundgedanken

GayChurch ist gegenwärtig eine kleine, wachsende Gottesdienstgemeinschaft von Lesben, Schwulen und Transidentischen Menschen. Gemeinsam feiern wir regelmäßig Gottesdienst und wollen die Bibel dabei als befreiende Botschaft für alle LGBT in der Welt entdecken. Jesus ist nicht gekommen um diejenigen zu berufen, die in der Gesellschaft bestätigt werden, sondern diejenigen, die in ihr ausgegrenzt werden. Wir glauben, dass das Evangelium in so einzigartiger Weise Homo- und Transidentischen Menschen gilt wie ihre Geschichte in 2000 Jahren Christentum einzigartig ist. Gott hat sich in Jesus Christus als ein lebendiges Wesen zu erkennen gegeben, das sich selbst mit queeren Menschen identifizieren will. Diese Botschaft spricht nicht gegen, sondern für die homosexuelle Lust und Liebe, für einen kritischen Umgang mit verabsolutierender cis-Identifizierung. Die christliche Heilsgewissheit weiß uns alle schon hier und jetzt weder als Mann noch Frau, sondern als Gottes Kinder in Christus Jesus durch den Glauben. Das Evangelium selber ist die Kraft, die die gesellschaftlichen Wurzeln von Homophobie und Transphobie offenlegen wird, eine Kraft, Homosexuelle und Transidentische Menschen mit sich selbst und mit Gott zu versöhnen.

Wurzeln homosexueller Emanzipation in der Evangelischen Kirche in der DDR

Die Arbeit von GayChurch steht in der Tradition der unabhängigen Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR, die dort in den 1980er Jahren in der Evangelischen Kirche entstanden war. 1982/83 sind Homosexuelle selber gegen eine antihomosexuelle Gesellschaftspolitik der kommunistischen Partei (SED) und der Regierung der DDR aufgestanden. Einzelne Gemeinden haben damals den Mut gehabt, daran zu glauben, dass Kirche ein Ort für Lesben und Schwule sein muss, die herkömmliche heteronormative Gesellschaftsstrukturen hinterfragen und ihre Homosexualität nicht als „Behinderung“, sondern als Gabe und ihre Diskriminierung als ein zentrales Politikum verstehen. Es entstand eine DDR-weit vernetzte Widerstandsbewegung von homosexuellen Menschen gegen autoritär-heteronormative Strukturen in der DDR-Gesellschaft. Die unabhängige Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR hat durch ihre Verortung in der Evangelischen Kirche auch die Kirche selber bewegt und theologische „Wahrheiten“ hinterfragt. Diese Bewegung stand im engen Zusammenhang mit der Friedens- und Menschenrechtsbewegung in der DDR. Die Kirche ist durch diese alternativen Bewegungen und Gruppen entgegen ihrer zahlenmäßig geringen Mitgliederstärke zu dem Raum geworden, in dem die zentralen gesellschaftspolitischen Fragen diskutiert und offen ausgesprochen werden konnten. Nicht die Parteien oder andere öffentliche Organisationen waren dieser Ort in der DDR, sondern die Kirche.

Aus unserer Perspektive heute verstehen wir die Lesben- und Schwulenbewegung unter dem Dach der Kirche in der DDR immer deutlicher als eine evangelische Bewegung gegen Unfreiheit und Diskriminierung. In ihr wurden Fragen einer alternativen Lebensformenpolitik entwickelt und formuliert, die vorwegnahmen, was vielen erst heute relevant erscheint. Es war damals möglich, dass durch LGBT innerhalb der Evangelischen Kirche eine nie zuvor dagewesene Perspektive auf Gesellschaft entstand. 30 Jahre nach dem Ende der DDR ist diese Bewegung im Osten nahezu vollkommen vergessen worden. Mit ihr wurde auch ein wichtiger Teil evangelischen Glaubens und Wirkens auf die gesellschaftlichen Verhältnisse vergessen.

Darum wollen wir anknüpfen und heute als Homosexuelle oder Transpersonen Fragen nach dem Verhältnis zwischen Gott und den Menschen und damit auch nach menschlichen Lebensformen stellen.

Wir laden alle herzlich ein, über homo- und transidentische Gefühle und queere Perspektiven nachzudenken und zu sprechen. Die GayChurch sieht ihre Aufgabe darin, die christliche Botschaft als die erlösende – weil aus Angst, Scham und Zwang emanzipierende Kraft – zu erzählen. Wir verstehen homosexuelle und transidentische Menschen dazu berufen, das Evangelium im Sinne des Priestertums aller Gläubigen zu leben und durch ihre Leidens- und Emanzipationserfahrungen die Botschaft vom Leben, Leiden, Sterben und von der Auferweckung Jesu Christi in der ganzen Welt aber insbesondere auch der Kirche zu sagen.

Das Symbol der „Regenbogenmadonna“ und Entstehung der GayChurch als Hausgottesdienstgemeinde

2019 ist die GayChurch erstmals öffentlich auf dem Berliner CSD aufgetreten. Die Aktion von LGBT in Polen, die Schwarze Madonna von Tschenstochau neu zu interpretieren und mit einem Regenbogen-Heiligenschein darzustellen, hat uns sehr beeindruckt. Insbesondere die Reaktion des Krakauer Erzbischofs Jędraszewski, seine Aussagen über LGBT als „Ideologie“ und „Regenbogenpest“, die brutale und offene Gewalt auf den Straßen gegen LGBT und der von der Staatsanwaltschaft geführte Strafprozess gegen Elżbieta Podleśna und zwei andere Aktivistinnen haben uns überzeugt, dass wir die „Regenbogen-Madonna“ nachbilden und zum Symbol der Solidarität der GayChurch auf dem CSD tragen müssen.

Mit unserer Prozessionsfahne der Regenbogen-Madonna haben wir nun bereits auf diversen öffentlichen Veranstaltungen und Prides auf die Verfolgung, aber insbesondere auch auf den Mut unserer Geschwister in Polen und der ganzen Welt aufmerksam gemacht. Die Regenbogen-Madonna ist so zum Zeichen der GayChurch geworden.

Ende 2018 hatte Wolfgang Beyer erstmals begonnen, wöchentlich zu Hausgottesdiensten einzuladen. Die Öffnung und der Wunsch nach dem Heraustreten aus dem privaten Raum wurden dann durch die Folgen von Corona erschwert. Erst seit Oktober 2021 hat die GayChurch die Möglichkeit erhalten als Gast in der Auferstehungskirche in Berlin-Friedrichshain öffentlich Gottesdienst zu feiern.

Aufgrund von Renovierungsarbeiten in der Auferstehungskirche, sind wir gegenwärtig zu Gast in der Zwölf-Apostel-Kirchgemeinde. Dort feiern wir die kommenden Dienstage 20:00 Uhr Gottesdienst mit Abendmahl.

In den Fürbitten können alle, die es wünschen, ihre Bitten für sich selbst oder für andere Menschen vor Gott bringen und dies auch öffentlich aussprechen. Im Anschluss an den Gottesdienst kommen alle, die interessiert sind, noch zum Gespräch und offenen Austausch zusammen. Es sind alle herzlich eingeladen.

Selbstbestimmung und Selbstorganisation der GayChurch

LGBTIQ erleben komplexe Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung. Antihomosexualität und Transfeindlichkeit sind tief verwurzelt in den gesellschaftlichen, kirchlichen und familiären Strukturen, aber auch in queeren Menschen selbst. Sich aus Homophobie und Angst vor einer kritischen Reflexion der eigenen Geschlechtlichkeit zu befreien ist ein lebenslanger Prozess. Die Folgen dieser strukturellen Gewalt wirken sich in mannigfaltiger Weise aus. Ganz wesentlich gehört zu ihnen, dass queere Menschen auf dem Weg der Ausbildung und Qualifikation für ihre berufliche Zukunft ungleich schwerer mit den herrschenden gesellschaftlichen und kirchlichen Verhältnissen zu kämpfen haben und oftmals selbst aufgeben oder resignieren. Dies gilt in besonderer Weise für kirchliche Ausbildungen. Daher versteht sich die GayChurch als Schutzraum und als Ort der queeren Selbstbestimmung und Selbstorganisation. Alle Queers sind berufen, ihre Situation theologisch zu reflektieren und selbstbestimmt Aussagen über sich und ihr Verhältnis zu Gott zu machen.

Wir sind offen für besondere Anliegen oder Wünsche, um während des Gottesdienstes auf die Situation von queeren Menschen oder Aktionen aufmerksam zu machen. Dafür bitte vorab Wolfgang Beyer kontaktieren: GayChurchBerlin@gmail.com

GayChurch, Berlin im Februar 2021

erweitert um: „Selbstbestimmung und Selbstorganisation der GayChurch“ im April 2022

Habt ihr hierzu Fragen, Vorschläge oder Anregungen? Hinterlasst uns hierfür einfach eine Nachricht: xenialiveberlin@gmail.com !

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